#1 · Aces Hütte
Ein wunderschöner Morgen bahnte sich seinen Weg durch eine der staubbedeckten, schmutzigen Glasscheiben von Aces Hütte. Der Dreck, der das sonst klare Glas bereits leicht braun gefärbt hatte, sorgte dafür, dass nur ein Bruchteil der Morgensonne in die Hütte fiel und in einzelnen Strahlen den aufgewirbelten Staub in den Fokus rückten, der in der Hütte herumwirbelte. Ace war bereits wach, weil sie den Sonnenaufgang gerne beobachtete und generell gerne früh in den Tag startete, weil man so viel mehr schaffen konnte. Das Leben auf einer Plantage war nicht einfach und bedeutete harte Arbeit und schon von Zuhause kannte sie es, früh fit auf den Beinen zu sein, um die wichtigsten Arbeiten bereits zu erledigen.
Zügig hatte sie sich nach draußen begeben, um in dem kleinen Fluss zu baden, der neben ihrer Hütte her floss und sich anschließend für den Tag fertig gemacht. Ihre werten Kollegen hatten heute etwas Besonderes vor; irgendetwas mit einem LKW und dem Pokémon Center von Stratos City, womit Ace nicht allzu viel zu tun hatte. Daher hatte sie heute sozusagen einen „freien Tag“, den sie auf ihrer Plantage verbringen wollte, um sich um die Beeren zu kümmern und ein wenig Zeit mit ihren Pokémon zu verbringen. Diese tollten auch bereits alle vier wach in der Umgebung der Hütte herum. Babiri saß auf der Reifenschaukel und schwang ein wenig hin und her, Zitarz saß auf dem Dach der Hütte und beobachtete alles aufmerksam, Grindo saß am Rand des Flusses und erfreute sich daran, seine Füße nass zu machen und Kiroya lag im Schatten der Hütte auf einem mittelgroßen Felsen, der mittlerweile so etwas wie „sein Platz“ geworden war. Alles war wie immer und nachdem Ace gefrühstückt hatte, Brot mit selbstgemachter Beerenmarmelade, machte sich die Truppe auf zur Beerenplantage.

Zum Glück war sie nicht besonders weit entfernt von der Hütte und soweit Ace es auf den ersten Blick sehen konnte, war über Nacht auch niemand hier gewesen und hatte etwas stibitzt. Natürlich ging sie davon aus, dass einige wilde Pokémon sich gerne über die Sträucher hermachten, aber darin sah sie kein Problem. Problematisch wurde es erst, wenn sich Menschen anmaßten, ihre Beeren zu stehlen – doch das schien nicht passiert zu sein, weshalb sie sich gleich an die Arbeit machte. Ein selbstgeflochtener Korb wurde dafür genutzt, die reifen Beeren zu pflücken, während Grindo neben ihr herlief und die Sträucher aufmerksam und freudestrahlend goss. Heute war die Ernte wieder besonders ertragreich und sie überlegte bereits, was sie mit den ganzen Beeren anstellen sollte, als ihr etwas ins Auge fiel:
Eine Gruppe von Pokémon, die nicht weit abseits der Plantage standen und plötzlich mit lautem Gebrüll auf Ace zuliefen. Es handelte sich bei der Gruppe um ein Haspiror, ein Nagelotz und ein Griffel, die kurz vor Ace stehen blieben und sie aufgeregt ansahen, ehe sie anfingen, durcheinander zu brabbeln. Verwirrt stellte das Mädchen den Korb mit Beeren ab und runzelte die Stirn, während sie die Truppe betrachtete. „Was wollt ihr denn? Beeren?“, versuchte sie das Anliegen der kleinen Pokémon herauszufinden, doch das Griffel schüttelte hastig den Kopf. Die anderen beiden Pokémon hielten nun den Mund, während das Griffel anfing, etwas ruhiger zu plappern, wohl wollte er Ace irgendetwas erklären… nur schade, dass sie keine Pokémonsprache sprach. Verwirrt starrte sie die Pokémon an, die offenbar gerade wirklich aufgebracht und besorgt waren, doch Ace konnte sich wirklich nicht erklären, was sie von ihr wollten. Das Haspiror sprang zu ihr und griff nach ihrer Hose, um sie mit sich zu ziehen – wohl von der Plantage herunter – was Ace mit sich machen ließ, auch wenn es für sie noch immer keinen Sinn ergab. Grindo folgte ihnen interessiert und auch Zitarz‘ Aufmerksamkeit war auf die Pokémontruppe gerichtet, während Kiroya lieber liegenblieb und der Sache keine Aufmerksamkeit schenkte.
„Was ist denn los?“, versuchte Ace es erneut und hob die Augenbrauen. Sie ließ den Blick über die Umgebung schweifen, konnte aber weit und breit nichts erkennen, was Anlass zur Beunruhigung geben könnte. Die Pokémon schienen aber sichtlich aufgebracht, also musste doch irgendetwas sein? Als das Griffel erneut versuchte, sich zu erklären, kam Ace schließlich ein Einfall. „Moment!“, meinte sie zu den Pokémon und drehte sich um. Sie legte die Hände um ihren Mund, um so etwas wie ein Megafon zu simulieren und rief nach Babiri, der kurz darauf auch angelaufen kam. Als er die jungen Pokémon erblickte schien er erst etwas verwirrt, ehe er amüsiert lächelte und ihnen zuwinkte. „Die Pokémon hier möchten uns irgendetwas sagen. Meinst du, du kannst es mir übersetzen?“, fragte Ace ihren langjährigen Begleiter, der daraufhin nickte und das Griffel darum bat, ihm noch einmal alles zu erklären. Abwartend sah Ace zwischen den Pokémon hin und her, während sich Babiri auf den Boden gesetzt und die Hand nachdenklich an sein Kinn gelegt hatte, als er dem Griffel zuhörte. Als das violette Pokémon geendet hatte, nickte das Pantimos und wandte sich dann wieder Ace zu, um ihr mithilfe der Gebärdensprache zu erzählen, was das Griffel wollte. Offenbar handelte es sich bei den drei Pokémon um ein Team aus Helden, das anderen helfen wollte, wann immer es Gefahren gab und anscheinend hatten sie eine Gefahr hier in der Nähe der Plantage entdeckt, vor der sie Ace und ihre Pokémon warnen wollten. Sie hatten beobachtet, wie ein paar andere Menschen immer mal wieder zur Plantage kamen, um sich ein paar Beeren abzuzwacken und dann wieder zu verschwinden, was in den Augen der Pokémon definitiv Diebstahl war!
Nachdenklich hatte Ace daraufhin die Stirn in Falten gelegt und sich zu Babiri ins Gras gesetzt. „Menschen, die meine Beeren klauen, sagt ihr?“ Wiederholte sie und die drei Pokémon nickten. „Wie viele denn?“ Sie sah zu Babiri, der ihr übersetzte, dass es sich immer so um 3-4 Menschen handelte – auch immer dieselben. Es dämmerte Ace bereits, um wen es sich dabei handelte, weshalb sie schließlich ein amüsiertes Lächeln nicht unterdrücken konnte. Babiri fuhr damit fort, dass die Pokémon glaubten, dass sie Ace sicher bald etwas tun wollen würden und sie in großer Gefahr schwebte, vor der man sie beschützen musste. Das war wirklich zuckersüß, aber doch definitiv nicht nötig! „Keine Sorge“, fing sie also an und schüttelte leicht den Kopf. „Ich glaube, die Menschen die ihr gesehen habt, sind meine Freunde. Die dürfen hier hinkommen und sich Beeren nehmen“, versuchte sie zu erklären, doch die Pokémon pochten weiter darauf, dass Ace beschützt werden müsste, denn was wenn es eben nicht ihre Freunde waren, die hier herumlungerten? Ace fand es ein wenig übertrieben, immerhin hatte sie selbst ja auch vier Pokémon, die sie im Notfall beschützen würden, aber süß war es trotzdem. „Ihr könnt euch sicher sein, dass ich in guten Händen bin. Ihr braucht mich nicht beschützen.“ Babiri nickte zustimmend, doch die Pokémon ließen sich nicht umstimmten. Hmm. Was machte man da nun am besten? Nachdenklich spitzte Ace die Lippen, ehe ihr eine Idee kam. „Wenn ihr möchtet, könnt ihr ja hierbleiben, solange bis ihr sicher seid, dass ich außer Gefahr bin? Dann könnt ihr auf die Plantage aufpassen und euch auch an den Beeren bedienen. Was haltet ihr davon?“ Ace wollte ohnehin irgendwann mal ein Pokémon fangen, das ihre Plantage bewachen konnte. Bisher war sie dazu aber noch nicht gekommen, geschweige denn wusste sie, was für ein Pokémon sich dafür eignen würde (oder wie sie es dann finden konnte). Zeitweise eine kleine Truppe zu haben, die auf die Plantage aufpasste, war also nicht verkehrt!
Belustigt sah Ace zu, wie die Pokémon sich zu einem kleinen Kreis zusammenstellten und das Angebot wohl gemeinsam besprachen, ehe sie sich wieder voneinander lösten und das Griffel sich Ace zuwandte, um ihr eisern zuzunicken. Die Hand seines Schweifs bewegte sich auf Ace zu, wohl um die Abmachung mit einem Händedruck zu besiegeln, was Ace gerne erwiderte. Zufrieden sprang sie dann wieder auf die Beine. „Wunderbar, dann Willkommen im Plantagen-Team!“, meinte sie überschwänglich zufrieden, woraufhin die drei Pokémon auch von Grindo und Zitarz begrüßt wurden – Kiroya blieb weiterhin für sich im Schatten und beobachtete die Situation nur minder interessiert. Während Ace sich ihren Korb wieder geschnappt hatte und die restlichen Beeren erntete, während Grindo die Sträucher goss, beschäftigte sich Zitarz damit, den drei Pokémon die Plantage zu zeigen und sie über alles wichtige zu unterrichten, was es zu wissen gab. Hin und wieder warf Ace einen Blick zur Seite zu den Pokémon, doch sie schienen sich mit ihrer neuen Aufgabe sehr gut zufriedenstellen zu lassen – es blieb nur zu hoffen, dass es sich bei den Menschen auch tatsächlich um Aces Freunde gehandelt hatte und nicht um irgendwelche zwielichtigen Gestalten – doch selbst wenn nicht, hatte sie nun ja genug Verstärkung, falls es zu einem möglichen Überfall kam!
tbc. Hauptstraße, Vapydro City