Ominöser Spuk [vorerst abgebrochen]

von **Lawrence**Sa März 30, 2019 2:32 am

Seiner eigenen Erfahrung nach begann jeder Horrorfilm mit einer vollkommen unschuldigen und Alltäglichen Prämisse, bis dann das einschneidende Ereignis eintrat, welches langsam das Unwohlsein bis hin zum plötzlichen Schrecken steigerte. Es missfiel Lawrence, wie sehr sein heutiger Tag in den typischen Aufbau einer Horrorgeschichte passte. Eigentlich hatte er lediglich zusammen mit Emi Blumenlieferungen in Tessera erledigt, nur war es dermaßen spät geworden, dass sie bestimmt nicht mehr vor Anbruch der Nacht wieder zurück nach Twindrake City kommen würden und in tiefster Dunkelheit über die Routen und die Dorfbrücke zu reisen war kein Gedanke, mit dem er sich anfreunden konnte. So würden sie nun also in Tessera übernachten, es war in dieser Stadt ohnehin Brauch, dass man nach Anbruch der Dunkelheit seine eigenen vier Wände nicht verlassen sollte, ansonsten wurde man vom Monster der Riesengrotte verschleppt. Als wäre dieser Aberglaube nicht schon schlimm genug, war seine kleine Schwester auch noch auf die großartige Idee gekommen, sich statt des Pokémon-Centers ein berüchtigtes Gasthaus herauszusuchen, in dem es angeblich spuken sollte. Eigentlich wunderte es ihn nicht, handelte es sich bei Emilia doch um eine sehr leidenschaftliche Geister-Fanatikerin, doch für Lawrence selbst war das Ganze... nicht besonders einladend. Nach all dem Schleppen von Pflanzen wollte er sich einfach nur noch in ein bequemes und sauberes Bett fallen lassen, hoffentlich konnte dieses Gasthaus ihm zumindest das bieten. Er war doch erstaunlich pingelig, wenn es um die Hygiene von Zimmern ging, erst recht wenn er dermaßen gerädert war und einfach nur noch entspannen wollte. Dann wiederum würde er Emilia niemals einen Wunsch ausschlagen können, also musste er da nun einfach durch. Ein kleines Abenteuer konnten sie aus ihrem Liefergang wohl machen.
Äußerlich machte das Gebäude immerhin bereits einen recht einladenden Eindruck, nachdem sie eingetreten waren konnte Lawrence auch an der Inneneinrichtung nichts besonders Auffälliges erkennen. Sie mochte zwar etwas alt sein, war jedoch gut gepflegt, wenn man von den wenigen Stellen absah, an denen der Putz von der Wand bröckelte. Beklagen konnte er sich soweit also nicht. Über den etwas knarzenden Parkettboden ging es also weiter voran zur Rezeption, hinter der eine zugegebenermaßen etwas furchteinflößende, alte Frau mit zerzausten, grauen Locken und finsterem Blick saß. Er würde jetzt wohl mit ihr reden müssen, oder...? Einmal musste er dabei doch leise Schlucken, ihm war nicht wirklich Wohl dabei. "Willkommen.", grüßte sie sowohl ihn als auch Emilia mit kratzender Stimme, worüber er sich einmal nervös seine Brille zurechtrückte. "H-hallo...", setzte er dabei leise an. "Wir würden die Nacht gerne hier bleiben. Ein Zimmer für zwei, bitte."
"Ahhh, sehr schön... Die Gäste haben in letzter Zeit abgenommen, so wie es aussieht, seid ihr dann wahrscheinlich meine einzige Gesellschaft für diese Nacht.", murmelte die alte Dame ominös hervor, während sie das Buch zum Einschreiben hervorholte. Okay, nein. Für gewöhnlich war das der Punkt, an dem Lawrence den Schlussstrich ziehen würde, aber die Blöße wollte er sich vor Emilia nicht geben. Sie musste sich über das Ganze bestimmt freuen, er konnte es ihrem Gesicht förmlich ablesen. "Hm, ich schätze mal, mit dem Pokémon-Center und anderen Einrichtungen dieser Art ist es sicher auch nicht besonders leicht, ein Gasthaus zu führen.", versuchte er rational auf das Thema einzugehen, doch die alte Dame hatte dafür nur ein hämisches Kichern übrig, das beinahe dem einer Hexe glich. "Nicht nur das, seit langer Zeit... treibt ein Geist in diesem Gebäude sein Unwesen. Jede Nacht höre ich die alte Witwe, die vor zwanzig Jahren in einem meiner Zimmer verstarb, weinen. Sie durchstreift Nachts die Gänge, auf der Suche nach irgendwelchen Spuren von ihrem Mann, doch der muss bestimmt schon längst ins Jenseits eingekehrt sein..." Mit jedem ihrer Worte schien ihr Tonfall unheilvoller zu werden, Lawrence konnte nicht anders, als nun verdattert dreinzusehen, während er die Formalitäten ausfüllte. "Dabei verrückt sie ständig Möbel. Das ist ganz schön lästig.", fügte sie zu guter letzt etwas plumper an.
"Ähhhh, jaaaa...", gab der Arenaleiter daraufhin ein wenig sprachlos zurück. Kein Wunder, dass die Gäste ausblieben, wenn sie solche Geschichten offen herausposaunte, so würde ihr doch niemand mit Verstand über den Weg trauen. Die unheimliche Alte überreichte ihm jedoch mit einem verschmitzten Grinsen den Schlüssel und äußerte scherzhaft: "Ich wünsche euch trotzdem eine angenehme und wohlbehütete Nacht. Nicht, dass der Geist Sie noch als Ersatz für ihren Mann verschleppt, hahahaha!"
"Hahaha... haha... bitte nicht.", erwiderte der Schwarzhaarige trocken mit ernster Miene, doch die alte Schachtel hatte ihm nicht mehr richtig zugehört, sondern war stattdessen bereits in ein Zimmer hinter der Rezeption verschwunden. Lawrence unterdrückte das Bedürfnis, einmal tief zu seufzen. Stattdessen wandte er sich nun mit einem verunsicherten Lächeln Emilia zu. "Sieht so aus, als würdest du hier voll auf deine Kosten kommen.", versuchte er die Angelegenheit humorvoll zu kommentieren. Laut der Nummer auf ihrem Schlüssel war ihr Zimmer im ersten Stockwerk, also sollten sie wohl gleich nach oben gehen. Er wollte sich wirklich nur noch hinlegen.