Odile

„it's like i've lost myself.“
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*** cf. Psychiatrische Pokémonklinik, Stratos City
Und nun saß sie hier. Amelia hatte eine Pfote auf die Schulter ihrer Trainerin gelegt und sah sie aus ehrlich besorgten Augen an, was wohl gerade für das Lucario eine äußerst seltene Geste war. Amelia war nie ein Pokemon gewesen, das viele Gefühle preisgab. Vermutlich weil sie selbst genug Auren um sich herum wahrnahm, dass sie sich selbst nicht zusätzlich auch noch belasten wollte. Sie war stets ein stiller Beobachter der die Situation erfasste und eingriff, wenn es nötig war. Sie half Odile unter die Arme und auch trotz ihrer schroffen Art und Weise wusste die Polizistin, dass sie sich auf Amelia immer verlassen konnte. Ihr Lucario würde sie niemals im Stich lassen und Odile konnte sich auch nicht vorstellen, je ohne sie leben zu können. Auch wenn es nach außen hin vielleicht nicht so wirkte war die Bindung zwischen den beiden sehr eng, so dass Amelia meist nicht mal irgendwelche Regungen zeigen musste – Odile wusste trotzdem, wie es ihrer langjährigen Partnerin ging. Sie waren ein Team und würden auch nicht mehr zu trennen sein. Dass das Lucario nun in einer tröstenden Geste eine Pfote auf Odiles Schulter gelegt hatte bedeutete der Polizistin daher viel, weil es eine seltene Geste war. Auch der aufrichtig besorgte Blick der auf ihr lag schenkte ihr ein wenig Trost, selbst wenn Odile ihn gerade nicht erwiderte. Nichtsdestotrotz half es alles nichts. Der Schock wollte nicht weichen und dieses erdrückende Gefühl das in ihrem Bauch aufkeimte war alles andere als angenehm, noch war es Odile möglich es tatsächlich bestimmen zu können. Trauer, Wut, Angst, Sorge, Verwirrung. Alles mischte irgendwo mit und brachte die Polizistin nur noch mehr durcheinander, was die Situation an sich definitiv nicht förderte.
Als die Zentrale sie vorhin darüber informiert hatte, dass jemand im Büro auf sie wartete hatte sie alles erwartet, nur nicht das. Ein Polizist hatte geduldig auf einem der Stühle gewartet die vor ihrem Schreibtisch standen und schien über seine eigenen Gedanken nicht sehr froh zu sein. Odile hatte nur gehofft, dass er nicht schon zu lange gewartet hatte, denn so etwas war ihr immer unangenehm. Hätte sie gewusst worum es sich handelte wäre sie wohl nicht mit einem derart höflichen Lächeln in ihr Büro getreten und hätte dem Mann die Hand geschüttelt, als wäre es ein ganz normales Treffen um über irgendeine Belanglosigkeit zu sprechen, die jetzt gerade im Moment vielleicht einen Funken Wichtigkeit hätte. Nein, sie hätte sich auch nicht in ihren Sessel gesetzt und sich mit einem Seufzen dafür entschuldigt, dass er hatte warten müssen. Sie hätte ihren Laptop nicht hochgefahren und Amelia kein kurzes Lächeln geschenkt, nachdem sie den anderen Polizisten mit einem angebundenen Nicken begrüßt hatte. Das alles wäre komplett anders verlaufen und hätte Odile sich auch nur im Geringsten darauf vorbereiten können, dann wäre sie nun vielleicht nicht in einem solchen Schockzustand.

Dass sie und ihre Schwester Chloé sich nie so wirklich hatten leiden können war ja kein Geheimnis gewesen. Schon von früh an hatten sie sich gegenseitig übertrumpfen wollen um dem anderen zu zeigen, wer die Bessere war. Nach und nach wurde dieser kindliche Wettstreit zu einem richtigen Konkurrenzkampf, bis sich die Wege der beiden Schwestern getrennt hatte und Odile in Illumina City zu arbeiten begann, während Chloé nach Einall reiste. Doch auch wenn die Zwillinge vielleicht nicht dem Klischee von Zwillingen gerecht wurden waren sie noch immer verwandt, und es gab auch immer noch diese mysteriöse Bindung zu einander, die Zwillingen immer nachgesagt wird. Sie war nicht so stark und die negativen Gefühle zu einander waren definitiv dominanter, doch sie war vorhanden. Und genau das bemerkte Odile nun, wo sie den Kopf in ihre Hände sinken ließ und die Augen schloss, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Tief ein und aus atmend regte sie sich einen Moment gar nicht. Der Polizist war bereits wieder gegangen nachdem er die Nachricht überbracht hatte, hatte ihr seine Anteilnahme mitgeteilt und sich schließlich zurückgezogen, um Odile mit den Nachwirkungen allein zu lassen.
Vielleicht hätte sie öfter mit ihrer Schwester sprechen sollen? Sie hätten sich bestimmt um ein besseres Verhältnis zu einander bemühen können, hätten sie es nur beide gewollt. Hatte Odile es gewollt? Hatte Chloé es gewollt? Die Polizistin konnte es wirklich nicht sagen, weil sie ohnehin keinen klaren Gedanken fassen konnte. Sobald sie das Gefühl hatte wieder halbwegs klar denken zu können brach erneut alles über ihr ein und sie befand sich zurück auf dem Tiefpunkt. Die Nachricht, dass ihr Zwilling während eines Falls angegriffen und schließlich auch derart verletzt wurde, dass sie nun labile Züge angenommen hatte, war derart niederschmetternd gewesen, dass Odile es anfangs gar nicht hatte glauben können. Chloé hatte Glück gehabt mit dem Leben davon gekommen zu sein, doch dafür hatte sie die Gesundheit ihrer Psyche einbüßen müssen – und ihr komplettes Pokémonteam. Man hatte die Leichen ihrer Pokémon am Tatort gefunden, gemeinsam mit der verstörten Chloé. Natürlich war sie sofort in ein Krankenhaus gebracht worden, doch ihr Zustand hatte sich nicht verbessert und die Ärzte schienen auch nicht zu glauben, dass er es jemals tun würde. Was eine Ironie, dass sie gerade noch in der psychiatrischen Pokémonklinik gewesen war und nun erfuhr, dass ihre Schwester selbst in eine Klinik eingewiesen werden musste. Doch Odile war nicht danach zumute über diese Ironie zu lachen und verblieb einfach reglos an ihrem Schreibtisch, wie sie es schon seit Minuten tat.
Der Pokéball der vor ihr auf dem Tisch lag rührte sich nicht, auch wenn Odile ihn gerne geöffnet hätte. Eines der Pokémon von Chloé hatte überleben können und sollte nun in die Obhut von Odile gelangen, das war Chloés Wunsch gewesen. Sie sprach nicht viel und wenn, dann nur selten etwas verständliches, doch dass sie dieses Pokémon erhalten sollte hatte sie überraschend klar festgelegt und deswegen lag der Ball nun hier auf der Tischplatte. Amelia drückte Odiles Schulter kurz und sah nicht davon ab ihre Pfote weg zu nehmen, als Odile den Kopf schließlich hob und sich die Schläfen rieb. Sie würde sich nicht ewig davor drücken können und wenn es der Wunsch von Chloé gewesen war, dass Odile sich um ihr Lunastein kümmern sollte, dann würde Odile dem auch nachkommen. Während sie also den Ball des Lunastein in die Hand nahm fischte sie gleichzeitig jenen von Freud von ihrem Gürtel, um ihn aus seinem Ball zu lassen. Freud und Luna waren seit Anbeginn Freunde, so dass Freud vielleicht helfen konnte. Das Sonnfel drehte sich einmal um sich selbst und sah schließlich überrascht zu Odile, als er sie derart verstört entdeckte. „Chloé hatte einen… Unfall, Freud.“, erklärte sie dem Pokemon, welches augenblicklich den fröhlichen Blick verlor und kurz zu Amelia blickte. „Es geht ihr nicht gut und wahrscheinlich wird sie sich nicht mehr erholen. Außerdem…“ Sie stockte kurz und biss sich unsicher auf die Unterlippe, ehe sie den Kopf schüttelt. „Außerdem wurden auch ihre Pokémon angegriffen. Bis auf Luna hat keines überlebt.“ Sie ließ den Satz einen Moment im Raum stehen und betrachtete das geschockte Gesicht des Sonnfel. Es war schon überraschend wie viel das Gesicht aussagen konnte, obwohl Freud keinen Mund besaß. Nur langsam nickte das Pokémon, wechselte wieder einen Blick mit Amelia und sah schließlich zu dem Pokeball in Odiles Hand. Erst nach ein paar Sekunden nickte die Polizistin schließlich und ließ das Pokemon darin frei. Luna manifestierte sich neben Freud in der Luft und sah sichtlich verwirrt aus, beruhigte sich jedoch sogleich als er Freud entdeckte, der ihn aufmunternd ansah. Das Lunastein wandte sich schließlich zu Amelia und nahm letztlich Odile in den Blick, sah sie eine Weile an und ließ dann den Kopf sinken. Die Schwarzhaarige sah dem Lunastein lediglich entgegen, ließ ihm den Moment und wartete, bis er den Blick wieder hob. „Chloé wollte, dass du bei uns bleibst.“, erklärte Odile leise und musste sich beherrschen, dass ihre Stimme nicht begann zu zittern. Wirklich überraschend, wie ihr brutale Tatorte und schreckliche Todesfälle nicht nahe gingen, dafür aber das hier. Schließlich hatte sie hier nun eine persönliche Bindung und wer hörte schon gerne davon, dass die eigene Schwester eine kaputte Psyche hatte? Natürlich war Odile froh darüber, dass Chloé „ansonsten“ nichts passiert war, schließlich lebte sie noch, doch konnte sie jemals wieder glücklich werden?
Odile rieb sich mit den Fingern über die Nasenwurzel und sah mit einem gequälten Ausdruck wieder zu Luna, der sich derweil Freud genähert hatte und noch immer traurig drein blickte. „Luna…“, begann Odile und atmete tief ein und wieder aus. „Ich…“ Wie begann sie das nun? Eine schwierige und irgendwo wohl auch komische Angelegenheit, aber Odile konnte definitiv nicht weiter machen, wenn es so blieb. „Ich würde dir gerne einen anderen Spitznamen geben, insofern du damit einverstanden bist.“ Das Lunastein sah nun verwundert zu ihr herüber und legte den Körper leicht schief, während er wohl auf eine Erklärung wartete. „Es wird sehr schwer für uns alle sein, die nächste Zeit… Und ich möchte dich in meinem Team Willkommen heißen wie jedes andere Pokémon, doch das werde ich ohne deine Hilfe nicht schaffen. Ich würde dir daher für unseren… Neuanfang einen neuen Namen geben, auch wenn du immer Luna bleiben wirst. Und ich möchte dich gerne zu Chloé zurück geben, wenn es ihr wieder besser geht.“ Falls es ihr wieder besser gehen würde. Das Lunastein schien einen Moment über diese Worte nachzudenken und regte sich für den Augenblick nicht, ehe es schließlich nur langsam nickte. Odile erwiderte das Nicken und einen Moment schwiegen sie, bis sie sich auf Fromm hatten einigen können. Natürlich in Bezug auf Chloé nicht das passendste, wenn man den Namen als Wort sah, doch stand er eher für den Nachnamen eines weiteren Psychoanalytikers, was dementsprechend zu Freud passte. Wo die beiden doch bereits derart lang befreundet waren schien es schließlich zu passen, und Freud und Fromm klang nach einem interessanten Duo.

Doch auch wenn das nun geklärt war konnte Odile nicht wirklich etwas mit sich anfangen. Sie ließ Freud und Fromm außerhalb ihrer Bälle damit Freud sich ein wenig um ihn kümmern konnte, schließlich war Fromm es, der nun wirklich die Aufmerksamkeit brauchte. Odile wollte sich gar nicht vorstellen, was das Lunastein alles hatte mitansehen müssen. Sie hoffte nur, dass Fromm sich davon erholen konnte. Sie würde selbst auch darauf achten, dass es dem Lunastein an nichts fehlte. Amelia half im Notfall sicher auch aus, schließlich hatte sie den besten Überblick über derlei Dinge. Doch wie sollte es mit Odile weitergehen? Es erschien ihr wie ein Ding der Unmöglichkeit nun nach Hause zu gehen, sich gar Urlaub zu nehmen, nur um sich mit ihrem Schock bezüglich der Situation zu beschäftigen. Die Zeit im Krankenhaus zuvor hatte sie bereits auf die Probe gestellt, und irgendeine Stimme in ihrem Inneren sorgte sich, dass der Kummer darüber sie zu sehr ablenken würde, wenn sie sich ihm hingab. Die Lösung des Problems war also wohl klar: Arbeit. Sie würde sich weder frei nehmen noch diesen Vorfall in ihre Arbeit mit einfließen lassen… Soweit es eben ging. Sie konnte schließlich nicht einfach ignorieren, dass es ihrer Schwester nicht gut ging. Doch Odile nahm sich vor, Chloé einen Besuch abzustatten, insofern sie am Abend noch Besucher empfangen durfte. Die Einstellung gegenüber ihrer Schwester würde sich von Grund auf ändern, denn… offensichtlich lag etwas an diesem schnulzigen Kalenderspruch, man würde erst merken wie viel etwas wert war, wenn es verschwunden war. Chloé war zwar nicht verschwunden, aber es traf genau so gut darauf zu. Odile atmete tief ein und zog schließlich eine der Schubladen ihres Schreibtisches auf und holte ein Notizbuch heraus, welches sie aufschlug und schließlich begann, etwas hinein zu schreiben. Wie immer wenn sie etwas erlebte was sie runterzog oder vielleicht sogar traumatisieren konnte, wollte sie es aufschreiben. Die Worte auf dem Papier zu sehen half ihr ihre Gedanken zu ordnen und einen Überblick zu gewinnen und auch dabei, es verarbeiten zu können. Vielleicht war es eine komische Eigenart, aber sie brachte etwas – und besser man löste es so, als die Dinge in sich hinein zu fressen. Es dauerte seine Zeit bis Odile fertig war. Mittlerweile hatte Amelia ihre Pfote zurück gezogen um Odile beim Schreiben nicht zu behindern und beobachtete stattdessen Freud und Fromm, auch wenn Fromm nicht gerade vor Lebensfreude strahlte. Soweit schien es ihm aber trotzdem, den Umständen entsprechend, gut zu gehen, was sowohl Amelia als auch Odile beruhigte.
Sie schloss das Buch wieder ein und sammelte sich schließlich die Akten zusammen, die sie für den Fall der getöteten Kinder zusammengesucht hatte. Nichts würde sie von der Auflösung dieses Falls abhalten können… außerdem bot er ihr Ablenkung.
*** tbc. Route 13

Odile

„losing faith in happy endings is much worse.“
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cf. [FSK] Wohngebiet, Stratos City- zwei Tage später -
Es war nun zwei Tage her, seit sie Hildeka dingfest gemacht hatte. Der nächste Schritt war nur noch der ganze Papierkram. Protokolle und so weiter. Das war definitiv nicht das Schlimmste momentan, denn Odile konnte ein bisschen Zeit für sich allein gut gebrauchen. Die Bilder von Lily erschienen immer wieder in ihrem Kopf und verfolgten sie, aber Odile war sich sicher, dass sich das die Tage noch legen würde. Es war immer so, wenn irgendein Extremfall eingetreten war. Es benötigte ein paar Tage, bis man das alles verarbeiten konnte und dann würde es wieder besser werden. Die Papierarbeit war ihr daher sehr willkommen. Dabei konnte sie abschalten und musste sich auch nicht so viel mit ihren Kollegen herumärgern, auch wenn sie es alle nur gut meinten. Odile hatte das Krankenhaus verlassen, als sie von den Ärzten die Bestätigung bekommen hatte, dass Lily durchkommen würde. Die Operation war zwar kompliziert gewesen und das Mädchen hatte viel Blut verloren, aber sie hatte es geschafft. Das hatte definitiv viel Last von Odiles Schultern genommen, denn sie hatte sich große Sorgen darum gemacht, dass Lily vielleicht doch ihrer Verletzung unterliegen würde. Die Narbe würde sie auf ewig tragen, aber sie konnte leben. Odile hatte sich danach aufgemacht um nach Hause zu gehen, ohne vorher noch im Büro vorbei zu schauen. Sie war müde und wollte ihre Ruhe haben, die Protokolle hatten auch noch warten können. Auf dem Weg aus dem Krankenhaus war sie noch Lilys Eltern begegnet, doch sie hatte sie nicht angesprochen. Sie wollten zu ihrer Tochter, das konnte sie verstehen, und sie wollte sich ihnen nicht in den Weg stellen.
Odile atmete langsam aus und legte den nächsten Stapel Papier zur Seite. Das Protokoll brachte seine Zeit, immerhin war es ein großer Einsatz gewesen und das bedeutete auch viel Schreibarbeit. Amelia betrachtete Odile nachdenklich, jedoch abwartend und schweigend. Sie wusste um die Gefühlswelt ihrer Trainerin Bescheid, natürlich, aber sie war sich sicher, dass Odile damit zurecht kommen würde. Tat sie immer; sie hatte ihre Mittel und Wege. Das Ganze lief jedoch schweigend ab. Weder Odile noch Amelia ließen irgendetwas von sich verlauten, was auch vollkommen in Ordnung war. Ruhe war schön, entspannend. Sie wurde erst durch ein zögerliches Klopfen an der Tür gestört, was Odile langsam den Blick heben ließ. „Herein?“, meinte sie, auch wenn sie nicht ganz wusste wer sie nun erwartete. Sie hätte an irgendeinen Kollegen gedacht, der noch mehr Papierkram für sie hatte, doch so war es nicht. Es war das Ehepaar, die Eltern von Lily, die langsam die Tür hinter sich schlossen. Amelia schien auch einen Moment verwundert zu sein, doch nickte den beiden freundlich zu. Odile richtete sich auf und ging um ihren Schreibtisch herum, um ihnen die Hand zu geben. „Agent Beauvais?“, fragte die Frau vorsichtig und Odile nickte. Sie reichte ihnen die Hand und bot ihnen an sich zu setzen. „Sie müssen Lilys Eltern sein?“, fragte sie sicherheitshalber nach, ehe sie sich selbst wieder setzte. Beide nickten. „Das Krankenhaus hat uns darüber informiert, dass Sie es waren, die Lily gefunden und zurückgebracht hat.“, meinte der Ehemann und beide schienen unheimlich erleichtert. „Sie müssen wissen, wir haben die Hoffnung nicht aufgegeben. Auch als die Polizei uns sagte, dass wir sie aufgeben sollten. Aber wir haben unsere Tochter nicht für tot gehalten und Sie haben sie zu uns zurück gebracht.“ Seine Frau nickte hastig und irgendwie gerührt. Odile lächelte kurz. „Das ist unser Job. Wir tun, was wir können.“, erwiderte sie. „Lily ist heute aufgewacht.“, fuhr ihr Vater vor und nahm die Hand seiner Frau. „Sie kann noch nicht sprechen, aber sie kommuniziert mithilfe von… von einer Tafel.“ Die Mutter nickte. „Sie hat uns von Ihrem Lucario erzählt, und wie es sie nicht allein gelassen hat.“ Amelia hob nun wieder den Blick und neigte den Kopf zur Seite, ehe sie nickte. „Wir möchten uns bei Ihnen beiden bedanken.“, fuhr die Mutter fort und lächelte leicht. Sie sah zu ihrem Mann. „Das ist wirklich nicht nötig. Wir helfen gerne.“, widersprach Odile und schenkte ihnen ein warmes Lächeln. Es war schon Geschenk genug, dass es Lily wieder gut ging, oder sie zumindest auf dem Weg zur Besserung war. „Nein wirklich, wir bestehen darauf. Es ist auch der Wunsch von Lily. Sie ist Ihnen und ihrem Pokémon sehr dankbar.“ Odile nickte schließlich. Gegen ein kleines Dankeschön sprach wohl nichts, und wenn die beiden und Lily darauf bestanden wäre es wohl nur unhöflich, das abzulehnen.
Der Vater kramte ein wenig in seiner Tasche herum und zog schließlich eine kleine Schachtel heraus. Sie war aus einem hübschen, dunklen Holz und hatte ein „L“ darauf graviert. Wahrscheinlich stand es für Lily. Er legte es auf den Tisch und beide lächelten Odile an. „Es gehörte eigentlich Lily, aber sie wollte unbedingt, dass Sie es bekommen.“ Die Polizistin nickte leicht und zog die Schachtel zu sich, um sie zu öffnen. Darin befand sich in elegantes, rotes Samt gelegt ein Armband, aus zusammengeflochtenen, unterschiedlich farbenen Leder. Es umschloss einen hübschen blauen Stein, in den ein kleines Zeichen eingraviert war. Odile wusste sofort, worum es sich dabei handelte. Sie sah verwundert von dem Megastein wieder zu den Eltern von Lily. „Das können wir nicht annehmen.“, meinte sie ehrlich erstaunt. Die Eltern lächelten lediglich leicht und nickten. „Doch, wir bestehen darauf. Lily würde es sehr freuen, wenn sie sich so erkenntlich zeigen kann.“ Amelia trat nun näher an den Tisch und betrachtete den Megastein und auch auf ihrem Gesicht zeichnete sich Überraschung ab. Odile hob kurz die Augenbrauen und sah dann zu ihrem Pokémon, letzten Endes musste Amelia entscheiden, ob sie zu einer Megaentwicklung bereit war. Sie schien darüber nachzudenken und ein wenig hin und her gerissen zu sein, doch dann nickte sie. Das Lucario löste die Armschienen und die restliche Kleidung von ihrem Körper, die sie ja ohnehin nur als Accessoire anhatte. Sie hielt Odile die rechte Pranke hin, woraufhin Odile den Megastein aus dem Kästchen nahm und das Armband um ihr Handgelenk band. Amelia trat zurück um  ein wenig Platz zu haben und der Stein leuchtete schließlich einen Moment hellblau auf. Das Leuchten breitete sich aus und schien Amelia in eine Sphäre einzuschließen, sie selbst entwickelte von Innen heraus ein helles, weißes Leuchten. Ihre Form veränderte sich, sie wurde größer und ihre Körperform veränderte sich. Ein starker Wind wehte durch den Raum und pustete beinahe die Papierstapel vom Schreibtisch, doch Odile konnte sie gerade noch so halten. Als das Leuchten langsam wieder abklang und auch die blaue Aura zurückging, konnte man die Megaform des Lucarios nun sehr gut betrachten. Begeisterung zeichnete sich auf Odiles Gesicht ab und auch Amelia schien mehr als zufrieden damit zu sein. Sie sah an sich herunter und schien wohl vor allem von ihrem Schweif angetan zu sein, ehe sie zu den Eltern ging und beide umarmte – tatsächlich umarmte. Nur selten sah man so etwas von Amelia. „Wir freuen uns sehr, dass wir euch damit eine Freude machen konnten.“, meinte der Vater und richtete sich mit seiner Frau auf. „Ich hoffe, Sie kommen Lily bald im Krankenhaus besuchen. Ich bin mir sicher, dass sie sich freuen wird Sie beide zu sehen.“ Odile nickte. „Sicher, natürlich. Noch einmal vielen Dank.“, meinte sie höflich. „Nein, wir danken Ihnen.“ Sie gaben sich wieder die Hände und Odile und Amelia führten sie beide wieder zur Tür. „Sie sind ein sehr, sehr guter Mensch, Agent Beauvais. Bitte hören Sie nicht mit dem auf, was sie tun.“, wisperte die Ehefrau noch zu ihr, ehe sie sich endgültig verabschiedeten. Odile schloss die Tür hinter ihnen und sah dann zu Amelia. Unglaublich – eine Megaentwicklung. Wie selten waren solche Steine? Das war wirklich nicht zu fassen und sie freute sich wirklich sehr darüber, doch noch mehr gefiel ihr die Tatsache, dass Lily auf dem Weg zur Besserung war. Bessere Nachrichten konnte es schlichtweg nicht geben.

tbc. Hafenmeile, Marea City