Sie war erstaunt. Lange Zeit war sie gemieden worden, weil sie mit einem Geist befreundet war, immer diese gute Kleidung trat und auch sonst nur wenig entsprechend ihres Alters tat, doch hier in Einall war alles ganz anders. Hier hatte sie schnell neue Leute kennen und mögen gelernt und viele Erfahrungen gesammelt, die sie in Kalos so nie hätte machen können. Auch der heutige Tag war da keine Ausnahme, nein, tatsächlich stach er sogar hervor, hatte sie doch heute gleich zwei wundervolle junge Frauen kennenlernen dürfen, die mit ihren ganz eigenen Ansichten und Zielen die Welt doch gleich noch etwas bunter machten. Sydney, die überaus lebensfroh schien, war ein sonniges Gemüt und steckte jeden mit ihrem ganz eigenen Licht an, während die vor ihr sitzende Aprilynne mit ihrem eigenen Charme ein großes Gefühl der Zufriedenheit zu geben wusste. Sicher, ohne es zu bemerken – was es nur umso faszinierender machte. Tallulah kam nicht umhin zu denken, dass ihre Pokémon es sicher ganz fabelhaft bei ihr hatten, so freundlich wie sie war.
Das zeigte sie auch Tallulah gerade wieder, indem sie Tallulahs Angst vor der Finsternis nicht als Schwäche abtat. Die Schwarzhaarige bekam da rosige Wangen und lächelte scheu – es war erfrischend, dergleichen zu hören, wo sie selbst doch einfach nicht so denken konnte. Aprilynne schwieg einen Moment und Tallulah hätte gerne etwas dazu gesagt, allerdings sprach die Braunhaarige schließlich doch weiter, darüber sprechend, wie schön es sei, dass Ceidith ihr half – und sie gewiss auch Ceidith, was diese nur mit einem Nicken bestätigte. Ein leises Kichern entrang sich da doch wieder Tallulahs Kehle und ihr Herz klopfte etwas wilder, als sie Ceidith ansah, doch schnell legte sich ihr Fokus wieder auf die Dunkelhaarige vor ihr und sie konnte ihr Herz wieder beruhigen.
„Irrational ist leider die treffende Beschreibung, meine Liebe.“, erklärte sie dann etwas gefasster. „Wird es schlagartig dunkel und ich finde mich allein zurecht …“, sie überlegte kurz, ehe sie ergeben lächelte. „Nun, ich komme dann nicht mehr voran. Diese Angst … lähmt mich. Ich sehe nichts, höre nichts, fühle nichts außer dieser Enge in meiner Brust.“, gab sie zu. Allein der Gedanke daran ließ sie erschaudern – so sehr, dass sie ihre Hände faltete, aus Angst, sie könnten zu zittern beginnen. Doch an ihrer Mimik änderte sich nichts. „Aber das kommt zum Glück nur sehr selten vor – und wenn es dann doch passiert, wissen meine Schätze mich zu retten. Und das gleiche versuche ich stets auch für sie zu tun – das haben sie alle mehr als verdient.“, fuhr sie also fort, wobei sie Aprilynne lange in die Augen sah, in dem Versuch, hinter das zu sehen, was vor ihr war. Nicht aus einem bestimmten Grund, sondern eher in der Erwartung darauf, wie sie wohl reagieren würde. Doch so, wie sie Aprilynne bisher kennengelernt hatte, konnte die erwartete Reaktion ja nicht erschreckend ausfallen, nicht wahr?
Tallulah kam da aber schon wieder auf die Freiheit zurück, die manche Pokémon sich eben wünschten und erläuterte ihren Standpunkt mit dem Wissen um das Gefühl solch unerträglicher Sehnsucht. Dass Aprilynne diese Erfahrung bisher nicht hatte machen müssen war da überaus erfreulich. Sie wünschte es niemandem, egal, wodurch es begründet sein mochte, wenn eine solche Sehnsucht mit einem negativen Ereignis in Verbindung stand. Allerdings hatte die Braunhaarige sicher auch in gewisser Weise recht damit, dass diese Erfahrung sie hatte wachsen lassen – sie selbst sah es ganz genau so, denn ohne jenes Erlebnis, das noch immer wie ein Eispflock in ihrem Herzen verweilte, wäre sie gewiss nie die geworden, die sie jetzt war.
„Ich wünsche dir, dass du die Erfahrungen, die du sammeln, die Begegnungen, die du machen und die Entscheidungen, die du treffen musst, um deinen ganz eigenen Weg zu bestreiten, finden kannst, ohne auf große Komplikationen zu treffen oder im Nachhinein darum trauern musst. Glück ist es schließlich, was wir uns alle wünschen – Glück und Zufriedenheit. Das wünsche ich auch dir, meine Liebe.“, sagte sie da wieder warm, wobei auch ihre Augen diese Wärme mehr als gut wiederzugeben wussten.
Wärme, die sie auch in Aprilynnes Herzen schon hatte sehen können und die sie spüren konnte, ohne sich genauer darauf konzentrieren zu müssen. Ob ihr das wohl bewusst war? Eine Frage, die sie sich selbst beantworten musste, wenn sie es denn wollte, aber dass diese Wärme da war, war nicht abzustreiten. Warum? Ganz einfach. Als Tallulah Corey mit diesen neuen Gesichtern bekannt machte war es Lia, die das Algitt zu beruhigen versuchte und auch beim frei lassen des Dratinis sorgte sie für ein wenig Ruhe, indem sie jenes auf Corey aufmerksam machte. Ein Pokémon, feinfühlig wie Lia es war, konnte nur umso besser gedeihen in der Näe von Menschen, die ebenso herzensgut waren, wie sie selbst. Einer der vielen Beweise für Aprilynnes Natur – auch wenn viele das gewiss nicht erkennen würden.
Für Corey aber war diese Begegnung, da war sich Tallulah absolut sicher, wirklich gut. Zwar hatte sich das junge Wasserwesen eiligst wieder versteckt, doch als Lia und Rilith mit dem Drachen sprachen, begann der sofort, in der Nähe zu tanzen und durch die Luft zu schwirren, was die Fünfzehnjährige doch sehr erheiterte. Noch bevor der Regen einsetzte rutschte Aprilynne so mit einem Schirm bewaffnet näher zu ihnen, wobei sie selbst durchaus amüsiert zu sein schien. Tallulah sah sie kurz überrascht an, rückte dann aber auch von selbst näher zu der Braunhaarigen, damit sie nicht so ungelenk sitzen musste, um den Schirm zu halten – was einerseits Namid weckte, dich sich aber schnell wieder schlafen legte, und andererseits Corey noch ein Stück tiefer in ihre Haare trieb. Doch dem Spiel, was Nova, das Dratini, ihnen da bot konnte auch er nicht ignorieren, starrte er doch schnell so fasziniert zu dem Drachen, wie es das Kirlia tat.
„Ach, das hört sich doch fabelhaft an! Sicher habt ihr schon viel gemeinsam erlebt! Und Nova scheint ebenso herzensgut zu sein, wie Lia – und ihre Trainerin.“, gab Tallulah während der Beobachtung dieses Tanzes an Aprilynne zurück, wobei sie bei den letzten Worten keck zwinkerte. Rilith hielt es indes nicht länger aus und gesellte sich bald zu dem Dratini, dem sich auch das Kirlia bereits angeschlossen hatte, sodass alle drei nun auf ihrer ganz eigene Art durch den Regen tanzten. Während es bei dem Dratini verspielt, fordernd aussah und bei dem Kirlia überaus elegant, trug Rilith mit ihrem ganz eigenen Charme auch etwas zu diesem herrlichen Bild bei, indem sie alsbald eines ihrer Geschenke aus ihrem Beutel holte, mit größt möglicher Kraft in einer Drehung in die Höhe sprang und das Geschenk noch weiter nach oben warf – wo es zerplatzte und einen Berg voll funkelnden glitzernden Partikeln zum Regen beimischte. Tallulah lachte da entspannt – Rilith, wie sie leibte und lebte!
Und das war letztlich auch der letzte Tropfen, der gefehlt hatte, um Coreys Neugier zum Überlaufen zu bringen. Zögerlich kroch das Algitt aus den Haaren seiner Trainerin, wobei es noch eine Aufmunterung von Ceidith brauchte, ehe es doch schließlich langsam ebenfalls in Richtung des kleinen Kreises voll Regenerguss schwebte. Scheu begrüßte Corey vor allem Nova mit einem Nicken, ehe er sich zunächst nur an den Pfützen erfreute, indem er zögerlich hinab tauchte und Schlamm bedeckt wieder an die Oberfläche kam, doch nach einiger Zeit traute er sich mehr, tanzte schließlich auch, wenn immer mit größerer Nähe zum Boden.
So verging die Zeit und Tallulahs kleines Findelkind schien zunehmend großen Spaß an der Zusammenkunft mit dem Dratini und auch dem Kirlia und deren Trainerin zu haben. Der Regen half, natürlich, und das Spiel im Wasser war nicht nur für die Pokémon wunderbar, sondern erfreute auch das Herz der Schwarzhaarigen, die es sogar schaffte, einen kleinen Schnappschuss von dem Bild zu machen, dass sich ihnen bot. Doch wer viel tanzte, viel spielte, der wurde auch müde, sodass Tallulah das Algitt und auch das Botogel schließlich zurückrufen musste. Auch Namid verschwand nach ihrem ausgiebigen Schläfchen wieder in ihrem Ball, sodass schließlich nur Tallulah und Ceidith zurück blieben, um sich gebührend von Aprilynne und ihren Pokémon zu verabschieden.
„Nun denn, es wird wohl Zeit. Habt Dank für diesen tollen Tag – ich bin dessen gewiss, dass er sich tief in unser Gedächtnis brennen wird!“, sagte sie da und verneigte sich zum Abschied tief, während das Gengar nur kichernd einen Arm hob. „Ich freue mich, bald wieder von euch zu hören. Und Aprilynne – solltest du, bis wir uns das nächste Mal sehen, Schwierigkeiten haben, so scheue dich nicht, uns um Hilfe zu bitten – der eigene Weg ist letztlich nur für ein Paar Füße gedacht, doch manche Strecken sollte man mit ein paar Freunden bewältigen.“, fuhr sie dennoch unbeirrt lächelnd fort, ehe sie sich letztlich umwandte und mit leichten Schritten der Stadt zuwandte, in der sie für ein paar Tage ihr Zelt aufschlagen würde. Das Pokémoncenter war daher der nächste geplante Halt – um ein Quartier zu finden, bis der Arenakampf in dieser Stadt bewältigt war. Und bis dahin gab es vielleicht auch die eine oder andere Nachricht von neu gewonnenen Freunden – wer wusste es schon?

Tbc: Arenakampf Eventura City; Herausforderung #009